Uraufführung am 18. Oktober 1904 in Köln unter Leitung von Gustav Mahler
- Trauermarsch. In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt
- Stürmisch bewegt, mit größter Vehemenz
- Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell
- Adagietto. Sehr langsam (46 k)
- Rondo-Finale. Allegro
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Mit der Komposition der 5. Sinfonie beginnt ein neuer, von Fachleuten zuweilen als
"mittlerer" bezeichneter Abschnitt in Mahlers sinfonischem Schaffen; wenn diese Sichtweise in der
Musikwelt auch nicht unumstritten ist, so schließe ich mich jedoch als Mahler-Liebhaber dieser
Perspektive an. Technisch ist den drei Sinfonien 5, 6 und 7 - im Unterschied zu den ersten vier
Sinfonien - die fehlende Programmatik, der Verzicht auf die menschliche Stimme sowie eine auffallende
Kontrapunktik gemeinsam.
Mahler begann die fünfte Sinfonie im Jahr 1901 und vollendete sie im Sommer des Jahres 1902. Es
sind für die Nachwelt keine äußeren Umstände in Mahlers Leben zu erkennen, die
Aufschluss darüber geben könnten, woher die künstlerische Umorientierung rühren
könnte, zumal der Charakter der Fünften eher düster, traurig und schwermütig ist,
während sich Mahlers Leben, gleichzeitig mit dem Beginn eines neuen Jahrhunderts, auf seinem
Höhepunkt befand: Seine schöpferische Kraft stand in voller Blüte, er war noch nahezu
unangefochtener Leiter der Wiener Hofoper, die ihre Glanzzeit erlebte, als Komponist war er so
anerkannter denn je, seine Werke wurden immer häufiger aufgeführt und persönlich ging
es ihm so gut wie nie zuvor, denn er hatte 1902 Alma Schindler geheiratet (die er erst nach Beginn der
Komposition der 5. Sinfonie kennen gelernt hatte) und eine Tochter, Maria Anna, bekommen.
Einer derjenigen, die die traditionelle Einteilung der Sinfonien in einen "mittleren"
Abschnitt anzweifeln, ist Yasuhiko Mori: "Eine nähere Untersuchung der Fünften Sinfonie zeigt,
dass das Werk keineswegs so weit von der Welt der Vierten Sinfonie entfernt ist, wie man einst annahm.
So kann man nicht von vornherein die Fünfte Sinfonie mit den beiden folgenden Sinfonien zu einer
Einheit zusammenfassen. Es hängt mit der Struktur der Werke zusammen, dass Mahler ab der
Fünften Sinfonie keine programmatischen Kommentare mehr gab. Wie die vierte Sinfonie, deren
letzter Satz auf einem bereits vorhandenen Lied basiert, ist die Fünfte Sinfonie als Ganzes auf
das Finale ausgerichtet. Mahler schafft hier eine geplante und logisch aufgebaute Struktur, für
deren Verständnis es keiner verbalen Erklärungen bedarf. Mit anderen Worten, die Sinfonie
geht von dem Choral aus und zielt auf diesen hin - er ist der abschließende Höhepunkt des
Werkes. Vom Ende des Werkes aus gesehen bildet der fünfte Satz, der auf der Basis von Motiven aus
diesem Choral zusammengesetzt ist und die allmähliche Entfaltung des Chorals umfasst, zusammen mit
dem vierten Satz, der die Funktion hat, eines der Nebenthemen des Finales zu präsentieren, den
dritten Teil des Werkes. Im zweiten Satz, der eine zentrale Stellung im ersten Teil einnimmt, erhalten
wir eine verschleierte Vorahnung auf den Choral.
Die Fünfte ist auch nicht ganz ohne Bezüge zur Vokalmusik: Es ist schon oft darauf hingewiesen
worden, dass sie viele deutliche Ähnlichkeiten mit Liedern aufweist, die vor oder um diese Zeit
komponiert wurden. Die Kadenzfigur im ersten Thema des ersten Satzes ist verwandt mit dem ersten Lied
der "Kindertotenlieder" und der gesamte vierte Satz hat starke Bezüge zu dem Lied "Ich bin der
Welt abhanden gekommen" aus den "Rückertliedern". Das Motiv, das am Beginn des letzten Satzes vom
ersten Fagott gespielt wird und danach eine zentrale Stellung in dem Satz einnimmt, hatte Mahler schon
in dem Lied "Das Lob des hohen Verstandes" aus "Des Knaben Wunderhorn" verwendet. Neben solchen genauen
Entsprechungen gibt es in der gesamten Fünften Sinfonie viele Passagen, die auf Mahler-Lieder
hindeuten. So zeigt sich trotz des Fehlens von Sängern deutlich, dass hier die typische Mahlersche
Verbindung zwischen Lied und Sinfonie nicht plötzlich aufhört".
Nach der von mir als eher "gefälliges Zwischenspiel zwischen zwei grandiosen
Zyklen" eingestuften "kleineren" 4. Sinfonie erreicht
die 5. Sinfonie wieder gewaltige, "Mahler'sche" Dimensionen. Wie die 3.
Sinfonie ist die Fünfte wieder in Abteilungen eingeteilt, dieses Mal sind es gleich drei, von
denen eine wiederum von einem einzelnen Satz eine gebildet wird; anders als in der Dritten ist es
dieses Mal nicht der Kopfsatz, sondern die zweite Abteilung wird vom überdimensionalen Scherzo
des 3. Satzes gebildet, der gewissermaßen als zentraler Hauptsatz von der vorangehenden und der
nachfolgenden, jeweils zweisätzigen Abteilung flankiert wird.
Die ersten beiden Sätze stehen in tragisch-düsterem cis-Moll bzw. a-Moll;
über dem 1. Satz steht als einziger programmatischer Hinweis Mahlers "Trauermarsch". In der
Stille ertönt der einzige, einsame Fanfarenruf einer Trompete, der eines der drei Hauptthemen des
Satzes bildet. Aus ihm geht der schwermütig lastende, von den Streichern dominierte Trauermarsch
hervor; die Holzbläser leiten ein 3. Thema in As-Dur ein, welches die düstere Stimmung
in lieblicher Weise aufhellt, doch die ruhig dahinfließende Bewegung wird nach weiteren, kurzen
Fanfarenstößen jäh durch ein wildes, dramatisches Zwischenspiel unterbrochen. Der
Rückkehr zum 2. Thema folgt eine Neuauflage des lieblichen 3. Themas in b-Moll. Ein weiteres
Zwischenspiel in a-Moll schließt sich an, lässt das Thema des 2. Satzes ertönen und
endet in einem verzweifelten Höhepunkt. Der dramatische und fesselnde Satz verklingt mit einem
einsamen Trompetensignal und dessen Echo der Flöte, den Schlusspunkt setzt ein einzelner
Pizzicato-Ton der Celli und Bässe.
Der 2. Satz beginnt stürmisch und drängend in a-Moll, um dann in
ein wunderschönes ruhiges und kantables f-Moll-Thema "im Tempo des Trauermarsch" zu gleiten, das
von klagenden, fanfarenstoß-ähnlichen Bläserlauten untermalt wird. Der stürmischen
Rückkehr zu a-Moll schließt sich ein kurzes, schwermütiges Zwischenspiel der Celli und
Pauken an, welchem die Wiederaufnahme und Durchführung der zentralen Themen im Wechselspiel von
chaotischen, zerrissenen Tumulten und reizvoll-lieblichen Passagen folgt. Das immer drängender
werdende Chaos mündet schließlich in ein erlösendes, strahlendes D-Dur, welches sich
immer breiter werdend bis zum absoluten Höhepunkt steigert, diesen jedoch scheinbar grundlos sanft
verebbend abbricht, um kurzzeitig in ein F-Dur-Chaos zurückzufallen und schließlich in
a-Moll zu verenden.
Als zweiter Teil der Sinfonie folgt mit dem 3. Satz das erwähnte Scherzo.
Völlig unerwartet scheint sich der Charakter der Sinfonie zu wandeln: Eine fröhliche und
ausgelassene, nahezu burleske Stimmung, hervorgerufen durch für Mahler typische Ländler und
Walzer, scheint sich auszubreiten, doch wirkt sie nicht aufrichtig, eher gezwungen fröhlich,
nahezu übertrieben, als ob man versucht, einen depressiven Gemütszustand durch aufgesetzte
Heiterkeit zu verscheuchen, sich voller Kraft und Tatendrang dem Leben zuzuwenden, um die tragische
Innerlichkeit zu übertönen. Die in anderen Scherzi Mahlers oft zu findende Ironie fehlt hier
völlig, dafür mischen sich zwischen die Ländler immer wieder tragische Seufzer der
Blechbläser, der fröhliche Fluss wird durch Phasen tiefer Nachdenklichkeit unterbrochen, in
welchen sehnende Bläserphrasen sich echoartig imitieren. Mit einem scharfen und heftigen Ende
reißt das Scherzo ab.
Der 3. Teil der Sinfonie beginnt mit dem 4. Satz, einem zarten Adagietto, einer
der innigsten Kompositionen Mahlers und sicherlich deshalb eine der bekanntesten, aber auch durch seine
Verwendung als Titelmusik in Viscontis "Tod in Venedig". Nach dem doch recht profanen,
bodenständigen Scherzo kehrt Empfindung und Sinnlichkeit ein, die reine Poesie wird in Töne
gefasst. Man spürt, dass nach dem Scherzo ein Bruch entstanden war, aus dem ein Neuanfang entsteht
und das Adagietto so zum Auftakt des letzten Satzes wird. Der Zartheit der dreiteiligen Komposition
steht die Instrumentierung in nichts nach: Ausschließlich Streicher werden verwendet und heben
zu einer klaren, sehnsuchtsvollen Melodie an, welche von Harfenklängen wie von einem Basso
Continuo begleitet wird. Im etwas drängenderen Mittelteil, in welchem die Harfe fehlt, wird das
Nebenthema des Finales eingeführt. Nach dem Glissando des Umkehrpunktes setzt die Harfe wieder
ein und die sehnsüchtige Melodie erhebt sich zu höchster Emotion, bevor das Adagietto sanft
verklingt.
Gerade die ausdrucksvolle Zartheit und Romantik dieses Satzes bedingen, dass die Interpretation
zurückhaltend und streng ausgeführt wird, um die Schönheit dieser Musik zur Geltung zu
bringen, ohne in Kitsch abzurutschen. Diesem Anspruch werden leider nicht alle Orchester gerecht.
In Erstaunen versetzt uns dann der 5. Satz, das Rondo-Finale; ein lang gezogener
Ton des F-Horns gibt das Signal, in die reale Welt und zur Fröhlichkeit zurückzukehren. Wie
weggeblasen ist die düstere Stimmung der beiden ersten Sätze, auch die zarte Romantik des 4.
Satzes haben wir hinter uns gelassen. Es herrscht nur noch heitere Gelassenheit, von einer Tonart zur
nächsten tollt ein ausgelassenes Allegro, als ob die Depressionen vorher nie existiert hätten.
Hier regiert wieder wahre Lebensfreude und steigert sich in immer neue Höhen bis zum grandios
strahlenden Höhepunkt in D-Dur. Das Leben hat uns wieder! |