Österreich

Wien: Zentralfriedhof und Lueger-Gedächtniskirche


Architekt: Max Hegele

1863 beschloss der Gemeinderat von Wien die Einrichtung eines zentralen Friedhofs für alle Konfessionen, wofür 1869 in Simmering ein Gelände gekauft wurde. Die Ausgestaltung des Friedhofs wurde im folgenden Jahr 1870 ausgeschrieben und von den damals in Frankfurt am Main tätigen Gartenarchitekten Karl Jonas Mylius und Alfred Friedrich Bluntschli gewonnen. Von 1873 an wurden die Arbeiten aufgenommen, und am 1. November 1874 konnten erste Teile des Wiener Zentralfriedhofs ihrer Nutzung übergeben werden.

Schon der Entwurf der Architekten Mylius und Bluntschli sah die Errichtung eines Kirchenbauwerks vor, doch erst 1899 wurde der Wettbewerb dafür ausgeschrieben. Den Sieg trug der damals erst 27-jährige Architekt Max Hegele, ein Schüler Otto Wagners, davon. Hegeles Entwurf beinhaltete die gesamte städtebauliche Achse und die wesentlichen Bauten, unter ihnen das Pylonentor (1905) mit den beiden seitlich angeordneten Aufbahrungshallen und die Kirche mit den sie segmentbogenförmig umschließenden Kolumbarien (Gruftanlagen). Es dauerte jedoch noch eine ganze Weile, bis tatsächlich mit dem Bau der Kirche begonnen werden konnte. Die feierliche Grundsteinlegung fand erst am 11. Mai 1908 statt, dann konnte der Bau allerdings nach der kurzen Bauzeit von nur drei Jahren am 14. Juni 1911 eingeweiht werden.

 
Gesamtansicht Lueger-Gedächtniskirche Friedhofskirche zum hlg. Karl Borromäus (1908-1911)
 

Der Grundriss ist in der Form eines griechischen Kreuzes gehalten und wird von der zentralen Kuppel von etwa 40 m Höhe dominiert. Die vier kurzen Kreuzarme sind von halbkreisförmigen Tonnen mit Kassettenfeldern überspannt, über welchen im Norden, Westen und Osten von mächtigen Säulen getragene Emporen liegen. Das vierte, dem Haupteingang gegenüber liegende Gewölbe ist die Altarnische.

Der Innenraum ist ein hoher, lichter, nahezu heiterer Raum, in welches durch die von Leopold Forstner gestalteten Mosaikfenster einzigartiges Licht fällt. Forstner hat auch die herrlichen Mosaikbilder der vier Evangelisten geschaffen. Das Innere ist reich mit Schablonenmalerei ausgestattet, eine Malerei, bei welcher jeder Farbe eine Schablone zugeordnet wird. Ein besonderes Augenmerk sollte den wundervollen Leuchten aus Messing mit gezogenen Glasstäben gelten, die nur noch von den zwölf herrlichen Kerzenleuchtern aus Messing übertroffen werden, deren Schein von Apostelkreuz-Mosaiken aus dem Atelier Ignaz Dürr reflektiert wird. Der Höhepunkt des Bauwerks ist sicherlich die zentrale Kuppel, ein ursprünglich ebenfalls von Ignaz Dürr geschaffenes Werk. Es besteht aus ca. 21.000 Mosaikteilen, die zu einem goldenen Strahlenkranz mit exakt 999 Sternen auf blauem Untergrund zusammengefügt wurden. Neben Otto Wagners Kirche am Steinhof ist die Friedhofskirche zum hlg. Karl Borromäus der bedeutendste Kirchenbau des Jugendstil in Wien und einer der schönsten weltweit.

Die Kirche war jedoch mit erheblichen statischen Mängeln - dem Stand der Technik zur Bauzeit entsprechend - behaftet und auf schlechten Baugrund gesetzt, was dazu führte, dass sie im Laufe der Jahre schwere Schäden erlitt, wozu auch unkontrolliertes Eindringen von Wasser in den Untergrund beitrug, welcher sackte und dadurch verschieden starke Setzungen sowie enorme Risse im Inneren des Gebäudes verursachte. Die Auswirkungen auf die Innenaustattung waren ebenfalls katastrophal: Etwa vierzig Prozent des Fliesenbodens war zerbrochen, Metall- und Messingteile oft bis zur Unkenntlichkeit verrostet, die Wandmalereien nicht mehr zu erkennen.
Von 1995 bis 2000 wurde die Kirche von einem Expertenteam unter Leitung des Wiener Architekten und Denkmalpflegers Univ. Prof. Manfred Wehdorn von Grund auf saniert und renoviert. Insgesamt waren über einen Zeitraum von fünf Jahren täglich zwanzig bis fünfzig Firmen mit bis zu 150 Arbeitnehmern auf der Baustelle beschäftigt. Am 27. Oktober 2000 konnte die herrliche Kirche, das "Jugendstiljuwel von Max Hegele", wieder ihrer Nutzung übergeben werden.